Warum sind weiße Katzen oft taub? Warum leuchten blaue Katzenaugen bei Reflektion des Lichtes rot? Heute geht es um die Genetik bei weißen Katzen und die Besonderheiten, die bei unseren weißen
Lieblingen auftreten können.
Das Auftreten der weißen Fellfarbe bei weißen Katzen kann unterschiedliche Ursachen haben:
- fehlt Tyrosinase in den Melanozyten, in den Zellen, die zur Melaninbildung befähigt sind, liegt das an den Genen ca oder c aus der Albinoserie (hat praktisch kaum Bedeutung),
- treten Störungen bei der Melanoblastenwanderung und -differenzierung in den Anfangsschritten im hierarischen System der Pigmentierungen auf, sind die Verursacher entweder das W-Gen, das völlig weißes Fell produziert, oder das S-Gen, das für weiße Flecken im Haarkleid verantwortlich ist (praktisch die häufigste Ursache).
Für ein besseres Verständnis vielleicht ein kurzer Ausflug in die Grundlagen der Genetik. Jeder hat bestimmt schon einmal etwas von Chromosomen gehört, also den Teilen der Zellen, die das Erbmaterial jedes Lebewesens beinhalten. Die Gene sitzen etwas vereinfacht ausgedrückt auf den Chromosomen und bestehen wiederum aus Allelen. Oft sind die Allele gleich, dann gibt es nur eine Möglichkeit für ein Erbmerkmal. Oft unterscheiden sich aber die Allele auch, dh es gibt für ein Erbmerkmal, zB Haarfarbe, verschiedene Möglichkeiten und es kommt auf die Allele und die Art der Vererbung an, was am Ende für eine Haarfarbe nach außen erkennbar ist. Gibt es verschiedene Allele für ein Merkmal, nennt man dies multiple Allelie und es kommt quasi auf die Kombination der Allele an hinsichtlich der Ausprägung des Erbmerkmals.
So ist es auch mit der Vererbung der weißen Fellfarbe der Miezen. Das Auftreten bestimmt sich nach dem Auftreten der entsprechenden Merkmale am dafür ausschlaggebenden Genort.
W-Genort
W ist das Symbol für White (Weiß). Am W-Genort finden wir multiple Allelie: Das Allel W, das über alle Farbgene epistatisch ist, also die Farben "maskiert" und das Fell weiß erscheinen lässt, das
Allel ws, das für weiße Flecken verantwortlich ist und das Allel w für nicht-weiß, das alle Farben zum Ausdruck kommen lässt, die von anderen Genorten bestimmt werden,
Das W-Gen vererbt sich unabhängig von allen anderen Pigmentierungsgenen, eine weiße Katze kann „unter“ ihrem Fell also jeden erdenklichen Genotyp in punkto Fellfarbe tragen. Genotypen sind die tatsächlich auf den Chromosomen liegenden Erbinformationen zu den jeweiligen Merkmalen. Was dann nach außen erkennbar ist ist der sogenannte Phänotyp. Für wie viele Farben eine weiße Katze Gene in sich trägt sieht man daher oft am Nachwuchs.
Leider ist das W-Gen nicht nur für die weiße Fellfarbe verantwortlich, es erzeugt bei einigen Tieren auch Nebeneffekte wie fehlende Irispigmentation oder Gehörstörung. Diese Effekte können beidseitig oder auch einseitig sein.
Es handelt sich bei dem Erbgang um einen sogenannten dominant-rezessiven Erbgang, dh es gibt immer ein Merkmal, dass sich gegenüber den anderen möglichen durchsetzt und eins, welches quasi immer unterlegen ist. Treffen diese Merkmale aufeinander, setzt sich immer das dominante durch, was zur Folge hat, dass das unterlegene, also das rezessive Merkmal nur dann zur Ausprägung kommt, wenn von beiden Elternteilen eben genau dieses rezessive Merkmal vererbt wird, in der Eizelle also beide rezessiven Allele kombiniert werden. Das nennt man dann einen homozygoten Genotyp. Mischformen werden heterozygot genannt, was bedeutet, dass in der befruchteten Eizelle von beiden Elternteilen unterschiedliche Merkmale vorkommen.
Für die Gene der weißen Fellfarbe gilt sozusagen folgende Rangordnung:
- W (weiß) ist dominant über ws (weiße Flecken) und w (nicht weiß)
- ws ist dominant über w
- w ist rezessiv
Folgende Genotypen/Kombinationen sind möglich:
W/W - homozygot white = die Katze hat weißes Fell
W/ws - herterozygot white, white spotted = die Katze hat weißes Fell
W/w - heterozygot white, non white = die Katze hat weißes Fell
ws/ws - homozygot white spotted = die Katze hat weiße Flecken
ws/w - heterozygot white spotted, non white = die Katzen hat weiße Flecken
w/w - homozygot non white = die Katze hat kein weiß
Daran sieht man, dass sich die weiße Fellfarbe bei Vorliegen des W-Gens zu 100 % durchsetzt, die oben schon beschriebenen Nebeneffekte wie Taubheit oder fehlende Pigmentierung der Augen haben
eine unregelmäßige Penetranz, dh man kann nicht genau sagen, ob oder wie oft es auftritt. Diese Nebeneffekte treten bei einem reinerbigen Vorliegen dieser Merkmale (W/W) deutlich häufiger auf,
als bei anderen Gen-Kombinationen, sodass darauf auch bei einer Verpaarung zu achten ist.
Aber auch bei einem großen Anteil der Gene für weiße Scheckung (ws/ws) können Störungen des Gehörs und der Pigmentierung der Iris auftreten. Da das W-Gen aber das Merkmal ws überdeckt wird,
können diese nicht immer erkannt werden.
An den Bildern seht Ihr durch unsere Schätze Pringels, Lucy und Rocky Beispiele für ganz weiß, viel Weißscheckung und wenig Weißscheckung!
In Studien hat man bezüglich der Nebeneffekte bei weißen Katzen, hier mit Blick auf das Gehör, folgendes feststellen können zum jeweiligen Genotyp:
- 75 % W/W weiße Katzen sind taub, der Rest in der Regel schwerhörig
- 60 % W/w weiße Katzen sind normal hörend, 17 % schwerhörig, der Rest ist taub
- 33,3 % W/ws Katzen mit Weißscheckung sind normal hörend, ebenfalls 33,3 % sind schwerhörig, das letzte Drittel ist taub
Allerdings haben weitere Studien gezeigt, dass Nebeneffekte bezüglich des Gehörs und der Augenfarbe oft Hand in Hand gehen, sodass viele der tauben, weißen Katzen entsprechende Auffälligkeiten in der Augenfarbe haben.
Das W-Gen und die Augenfarben
Anders als andere Merkmale werden Augenfarben nicht durch ein „Hauptgen“ vererbt, sondern durch mehrere Gengruppen. Weiße Katzen können grundsätzlich alle Augenfarben aufweisen, sogar zwei
verschiedenfarbige Augen (heterochrome Irisfärbung). In der Regel ist dann ein Auge blau und eins pigmentiert (auch odd-eyed genannt)
Bestimmt wird die Farbe der Augen durch die Iris, genauer gesagt durch die Pigmente in den beiden Teilen der Iris – Irisstroma und Irishinterblatt – sowie durch die Dicke der Irisstroma. Bei Kitten zB sind die Augen in den ersten Lebenswochen immer blau, weil das Pigment im Irisstroma zunächst nicht entwickelt ist.
Blaue Augen bei weißen Katzen lassen sich nach den zugrundeliegenden genetischen Merkmalen klassifizieren:
- Das blaue Auge, das durch die Anwesenheit der Allele cscs (bei Siamkatzen) entsteht, es hat keine Irisstromapigmentation und ein pigmentloses Tapetum lucidum, es wird Siam-blau oder Turner-Blau genannt
- Das blaue Auge, das zum W-Gen gehört, es hat keine Irisstromapigmentation, keine Funduspigmentation und kein pigmentiertes Tapetum lucidum (Marian Raadsveld, 1977), es wird weiß-blaues Auge genannt.
- Das blaue Auge, das zum S-Gen (Weißscheckungsgen) gehört, es ist identisch mit dem blauen Auge vom W-Genort, es hat keine Irispigmentation, keine Funduspigmentation und kein pigmentiertes Tapetum lucidum.
Das Tapetum lucidum ist ein halbmondförmiges, lichtreflektierendes Feld im Augenhintergrund. Es wirkt wie ein Spiegel. Durch diesen "Spiegel" trifft das einfallende Licht zweimal die
lichtempfindlichen Zellen der Retina. Die Farbe vom Tapetum lucidum variiert von Gelb über Blau bis Blaugrün.
Durch das Tapetum lucidum können Katzen besonders bei Dämmerung besser sehen.
Katzenaugen mit Tapetum lucidum reflektieren gelbgrün.
Katzenaugen ohne Tapetum lucidum reflektieren rot.
Das W-Gen und Taubheit/ Schwerhörigkeit
Das W-Gen kann nicht nur die Sehstärke der Augen beeinflussen, sondern auch Taubheit und Schwerhörigkeit hervorrufen. Sie entsteht durch degenerative Veränderungen am Innenohr. Untersuchungen
ergaben, dass die Mehrzahl der weißen tauben Katzen blauäugig ist, odd-eyed Katzen weniger oft taub sind als blauäugige und unter weißen Katzen mit pigmentierten Augen signifikant weniger taube
Tiere auftreten als unter blauäugigen oder odd-eyed Katzen.
Die Ursache dafür, dass weiße Katzen oft taub sind ist das dann in der Regel nicht funktionstüchtige Corti-Organ/ Cortische Organ. Das Cortische Organ ist sozusagen die Schnittstelle zwischen den
akustischen mechanischen Schwingungen und den Nervensignalen in der Schnecke des Innenohrs (Cochlea) und Träger der Sensorzellen im Innenohr aller Säugetiere. Umgeben ist es von einer
Flüssigkeit, der Endolymphe, in der sich Kaliumionen befinden. Die Zellen des Cortischen Organs wandeln zusammen mit dem in der Flüssigkeit vorhandenen Kalium Schall in elektrische Reize um (nur
diese können vom Hirn verarbeitet werden). Das Kalium ist dafür essentiell. Die Zellen, die die Kaliumionen in die Flüssigkeit pumpen bilden die sogenannte Stria vascularis. Diese wiederum sind
verwandt mit den Zellen, die für die Pigmentierung sorgen, da beide Zellarten aus gleichen Vorläuferzellen entstehen. Werden diese in der Entwicklung des Embryos nicht angelegt oder erreichen
ihren Platz im Innenohr nicht ist das Cortische Organ nicht funktionsfähig und es kommt zu einer Taubheit. Da es sich eben um die gleichen Vorläuferzellen handelt, aus denen später auch die
Melanozyten entstehen, also die Zellen, die die Pigmentierung sicherstellen, fallen Taubheit, blaue Augen und weiße Fellfarbe oft zusammen.
Die Hörfähigkeit von weißen Katzen lässt sich in speziellen Untersuchungsverfahren testen, da unsere lieben Kleinen uns ja nicht sagen können, ob sie etwas hören können oder nicht. Oft entsteht
aber schon ein Verdacht durch übermäßig lautes Miauen und kaum vorhandene Reaktionen auf Geräusche.
Mit Tieren, die kein funktionsfähiges Cortisches Organ aufweisen sollte und darf nicht gezüchtet werden, da dies in den Bereich der Qualzucht fallen würde.
Dunkler Kopffleck
Wir sind auf die genetischen Besonderheiten weißer Katzen ja bereits recht detailliert eingegangen (siehe Teil 1 und 2). Die weiße Fellfarbe und auch die Weißscheckung werden dominant vererbt.
Dabei ist wichtig, dass Weiß aber eigentlich keine „echte“ Farbe ist. Dieses Erbmerkmal maskiert einfach alle anderen Farben und Muster. Man muss sich das wie einen Mantel vorstellen, der sich
über die eigentlich genetisch noch vorhandenen Farben und Muster darüberlegt. D.h, es sind zwar Pigmente anderer Farben vorhanden, das Fell der weißen Katzen reflektiert aber das Licht in einer
besonderen Weise, sodass diese Pigmente nicht sichtbar werden. Allerdings kommt es häufiger vor, dass Jungtiere mit komplett weißer Fellfarbe noch einen farbigen Fleck am Kopf haben, der in der
Regel mit zunehmendem Alter verblasst und verschwindet. Dies ist im Prinzip ein „Durchschimmern“ der eigentlich vererbten Fellfarbe, die nun aber durch das Weiß überdeckt wird. Es handelt sich
dabei nicht um eine vererbte Weißscheckung, sondern eine reinweiße Vererbung mit sogenanntem Genfleck. Oft verschwindet dieser schon nach einigen Wochen, bei manchen Tieren dauert es aber auch
länger und er wird von Fellwechsel zu Fellwechsel blasser. Auf den Bildern seht ihr Miko und Monty, unser bezauberndes Bruderpaar, und unseren Cooper, auch liebevoll Coopi genannt, mit ihren
niedlichen Kopfflecken!
Albinismus
Auch wenn das immer noch von vielen Menschen angenommen wird, ist nicht jede weiße Katze ein Albino. Wir haben gelernt, dass sich die weiße Fellfarbe in der Regel durch das W-Gen für vollweiß
oder ws für Weißscheckung vererben kann. Dabei sind auch andere Fellfarben vererbt und werden eben ganz oder teilweise durch das weiß überlagert. Daher können diese Katzen auch ein noch recht
breites Spektrum an Augenfarben haben. Albinokatzen hingegen weisen ein anderes Genmerkmal auf, es handelt sich um einen Gendefekt der zur völligen Abwesenheit von Pigmenten führt (keine
funktionsfähige Tyrosinase, ein Enzym, das zur Melaninsynthese benötigt wird), also keiner Überlagerung. Diese Katzen haben aus diesem Grund auch nur entweder blassblaue Augen bis hin zu rosa
oder rot scheinenden Augen. Andere Farben sind nicht möglich. Da es sich um einen Gendefekt handelt, der zB auch eine gewisse Lichtempfindlichkeit mit sich bringen kann sowie ebenfalls Taubheit
oder Missbildungen der Augen, wird mit diesen Tieren nicht gezüchtet. Allerdings kennt fast jeder Katzen mit Teilalbinismus, denn zB werden manche Pointzeichnungen bei bekannten Rassen wie der
Birma/ Orientalen hierdurch hervorgerufen. Dabei ist die Funktion der Tyrosinase mangelhaft. Es gibt dabei eine temperaturempfindliche Restaktivität, d.h. schon die Körperwärme führt zu einer
Funktionsunfähigkeit. Daher färben sich mit der Zeit nur kühlere Körperteile wie die herzfernen Extremitäten, Schwanz, Ohren und Nase dunkler. Da es in der Gebärmutter sehr warm ist, werden
Jungtiere dieser Rassen nahezu weiß geboren, in den ersten Wochen außerhalb des Körpers der Mutter dunkelt das Fell dann punktuell nach aufgrund der kühleren Luft. Der Nachdunkelungsprozess
dauert ein Leben lang an und hängt auch von der Umgebungstemperatur an. Daher werden Pointkatzen in der Regel mit zunehmendem Alter auch am Körper dunkler, wobei sich die Points weiterhin
deutlich absetzen, in wärmeren Regionen wie den südlichen Ländern findet dieser Prozess nicht so ausgeprägt statt wie in kühleren Regionen.
Mythologie
Natürlich wollen wir uns nicht nur mit der schnöden Wissenschaft befassen, sondern auch einmal darauf schauen, was die weiße Fellfarbe für die Menschen bedeutet.
Während fast jeder den Aberglauben kennt, dass schwarze Katzen Unglück bringen verhält es sich in der Seefahrt, insbesondere in England und Schottland etwas anders. Dort werden schwarze Katzen als Glücksbringer angesehen, dafür tragen weiße Katzen die Farbe der Geister und sind daher nicht so beliebt.
In Amerika glaubt man, dass weiße Katzen Glück bringen, wenn man von ihnen träumt oder ihnen auf der Straße begegnet. Erfolgt die Begegnung allerdings nachts, bringt es wiederum Unglück.
Vielerorts fasziniert die weiße Katze aber, wie eigentlich alle weißen Tiere, die Menschen und wird als Inbegriff der Reinheit gesehen. Es gibt sogar ein Märchen (aus Niedersachsen) mit dem Titel „Die weiße Katze“, in dem besagte Katze ein kleines Mädchen rettet. Auch die Katze von „Hänsel und Gretel“ ist weiß.
Im alten Ägypten wurden Katzen aufgrund der Göttin Bastet verehrt und das Töten einer Katze wurde oft mit dem Tod bestraft.
Auf dem Land wurde die Katze in früheren Zeiten als Symbol der guten Ernte, der Fruchtbarkeit und der Musik gern gesehen. Wenn eine Katze verstarb, wurde offen getrauert durch das Tragen von
Trauerkleidung und das Abrasieren einer Augenbraue. Dies betraf aber alle Katzen, nicht nur die weißen.
Da kann man sich nur wünschen, dass diese Wertschätzung der Katzen, nicht nur der weißen, wieder auflebt und praktiziert wird, dann würde die Welt gleich ein ganzes Stück anders aussehen!